Latexallergie: Ursache, Symptome, Therapie & Vorsorge

Die Zahl der Latexallergien hat in den letzten zwei Jahrzehnten deutlich zugenommen. Schätzungen zufolge leiden ca. 2 Millionen Bundesbürger unter dieser Erkrankung. Naturlatex wird aus dem überwiegend in Indonesien und Malaysia angebauten tropischen Gummi- oder Kautschukbaum gewonnen. Der milchige Saft enthält neben den gummiartigen Bestandteilen über 240 verschiedene Eiweiße. Ein Latexallergiker reagiert auf diese im Naturlatex enthaltenen Stoffe mit einer allergischen Reaktion.

Ursachen & Risikofaktoren

Das Immunsystem des Menschen reagiert bei einer Allergie auf eigentlich harmlose Substanzen mit einer überschiessenden Abwehrreaktion. Im Falle der Latexallergie bildet der Körper gegen die im Latex enthaltenen Eiweiße Abwehrstoffe, sog. Antikörper Normalerweise helfen Antikörper dem Menschen, sich gegen „Eindringlinge“ wie Viren, Bakterien oder andere schädliche Substanzen zur Wehr zu setzen. Leidet ein Mensch unter einer Allergie, hat das Immunsystem „verlernt“, zwischen schädlich und unschädlich zu unterschieden und bildet auch gegen ungefährliche Fremdstoffe Antikörper. Stoffe, welche die Bildung von Antikörpern auslösen, werden als sog.

Allergene bezeichnet. Eine allergische Reaktion tritt nie bei einem erstem Kontakt mit dem allergieauslösenden Stoff auf, sondern benötigt eine sog. Sensibilisierungsphase. Bei wiederholtem Kontakt mit den latexhaltigen Produkten verbinden sich die gebildeten Antikörper mit dem Allergen. Durch den entstandenen Komplex werden im Körper Botenstoffe wie z. B. Histamin freigesetzt, die für die Auslösung der allergischen Entzündungsreaktion verantwortlich sind.

An einer Allergie erkranken normalerweise nur Menschen, die eine angeborene Veranlagung dazu besitzen. Es hat sich gezeigt, dass Patienten mit einer schon bestehenden allergischen Erkrankung wie z. B. Heuschnupfen, Asthma oder Neurodermitis häufiger an einer Latexallergie erkranken als andere. Zudem treten Allergien oft familiär gehäuft auf.

Am häufigsten sind Menschen betroffen, die im Krankenhaus oder in medizinischen Berufen arbeiten und regelmäßig mit Latexprodukten in Berührung kommen. So ist Latex z. B. in den meisten Gummihandschuhen, Kathetern oder auch Atemmasken enthalten. Nach längerem Kontakt mit diesen Materialien treten bei ca. 10% des medizinischen Personals Beschwerden auf.

Zudem sind Menschen, die schon oft operiert wurden und so mit latexhaltigen Produkten in Kontakt gekommen sind, gefährdet, an einer Latexallergie zu erkranken. Auch Patienten mit einer angeborenen Spaltbildung der Wirbelsäule (Spina bifida) oder Missbildungen der Harnblase sind häufiger von dieser Erkrankung betroffen, da auch sie oft zahlreiche Operationen hinter sich haben. Auf Latexallergien muss man deshalb vor allem diese Kinder testen. Es wird vermutet, dass bis zu 70 % der Kinder mit Spina bifida eine Allergie gegen Latex haben.

Symptome & Krankheitsbild

Man unterscheidet zwei Verlaufsformen der Latexallergie. Einerseits kann es sich um eine Kontaktallergie auf die Gummiinhaltsstoffe handeln (Überempfindlichkeitsreaktion vom verzögerten Typ, Typ-IV-Allergie). Dann sind es nicht primär die Latexbestandteile, welche die Allergie auslösen, sondern die chemischen Zusätze, die zur Verarbeitung verwendet werden. Die Beschwerden treten erst Stunden bis Tage nach dem Kontakt auf. Klassisches Krankheitszeichen ist ein an der Kontaktstelle auftretendes Hautekzem mit Juckreiz.

Wenn auch seltener, aber weit gefährlicher ist die IgE-vermittelte Allergie vom Soforttyp auf Naturlatex (Typ-I-Allergie). Hierbei ist der Latex der allergieauslösende Stoff. Minuten bis maximal eine halbe Stunde nach dem Kontakt treten die Beschwerden auf. So kommt es z. B. nach dem Tragen von Latexhandschuhen zu Hautrötungen mit Juckreiz und Nesselsucht oder nach dem Aufblasen von Luftballons zu juckenden, geschwollenen Lippen. Ein besonderes Problem stellen gepuderte Handschuhe im Krankenhaus dar. In dem feinen Puder befinden sich oft kleine Latexpartikel, die sich vom Handschuh gelöst haben.

Beim Ausziehen der Handschuhe gelangen sie mit dem Puder in die Atemluft. So können auch Menschen unter Beschwerden leiden, die gar nicht direkt mit den Latexprodukten in Berührung kommen. Empfindliche Menschen klagen nach dem Einatmen von Latexpartikeln über heuschnupfen- oder sogar asthmaartige Beschwerden. In besonders schwerwiegenden Fällen kann dies sogar einen lebensbedrohlichen Allergieschock mit Kreislaufzusammenbruch (anaphylaktischen Schock) zur Folge haben.

Auswirkungen

Etwa 60-70 % der Latexallergiker reagieren auch auf tropische Früchte wie z. B. Bananen, Kiwis, Esskastanien oder Avocados, seltener auf Datteln, Feigen oder Ananas (sog. Latex-Frucht-Syndrom) sowie auf Pflanzen wie verschiedene Ficusarten und Guttapercha allergisch. Bei ihnen besteht eine sog. Kreuzallergie. Die Früchte und Pflanzen enthalten Bestandteile, die den im Naturlatex enthaltenen Eiweißen ähnlich sind. Die Abwehrzellen des Latexallergikers erkennen diese Ähnlichkeit und reagieren fälschlicherweise auch auf diese Früchte mit einer allergischen Reaktion.

Ist eine Latexallergie bekannt, muss versucht werden, den Kontakt zu latexhaltigen Stoffen konsequent zu vermeiden. Ist das nicht der Fall, können durch die wiederkehrende Exposition zunehmend ernstere allergische Symptome wie ein allergisches Asthma ausgelöst werden.

Wie bei jeder anderen Allergie besteht auch bei einer Latexallergie die Gefahr eines
anaphylaktischen Schocks. Darunter versteht man eine massive allergische Reaktion, die mit Atemnot, Schwindel, Erbrechen, Blutdruckabfall und im schlimmsten Fall einem Herz-Kreislaufstillstand einhergeht. Das Risiko ist besonders hoch, wenn die Latexallergie nicht bekannt ist und die betreffenden Personen z. B. im Krankenhaus wiederholt mit latexhaltigen Materialien in Kontakt kommen. Hierbei ist die Aufnahme über die Schleimhaut besonders gefährlich (Atemmasken bei Operation, Einlaufkatheter bei Darmuntersuchungen).

Erkennung & Untersuchungen

Bei dem Verdacht auf eine Latexallergie wird der behandelnde Arzt zunächst nach den Beschwerden und möglichen Auslösern in der Umgebung fragen. Die Arbeit in einem Krankenhaus oder zahlreiche vorangegangene Operationen können Hinweise auf eine Latexallergie sein. Mittels einer Blutuntersuchung (RAST-Test) weist man vorhandene Antikörper im Blut nach.

Bei anderen Allergien wird zu Beginn der Diagnostik meist ein Hauttest, der sog. Prick-Test durchgeführt. Hierbei werden Lösungen mit den zu untersuchenden Allergenen auf den Unterarm des Patienten gegeben. Mit Hilfe einer kleinen Lanzette wird die oberste Hautschicht ein wenig eingeritzt, damit die Lösung eindringen kann. Da sich in der Haut Immunzellen in großer Dichte befinden, lässt sich hier die Testung besonders gut durchführen. Besitzt der Patient Antikörper gegen eines der Allergene, entsteht auf der Haut eine geschwollene, rote Stelle. Doch gerade bei einer Latexallergie ist die Gefahr einer anaphylaktischen Reaktion relativ groß. Daher sollte dieser Test nur in einer Fachpraxis unter Notfallbereitschaft stattfinden.

Leidet ein Patient unter einer Allergie vom verzögerten Typ, d. h. reagiert er auf die Gummizusatzstoffe mit einer Kontaktallergie, werden mit Hilfe eines sog. Epikutantestes die verschiedenen Zusätze getestet. Dabei trägt man die zu testenden Allergene auf ein Testpflaster auf und belässt dieses für 24 Stunden auf der Haut. Danach wird das Pflaster entfernt und die Reaktion direkt nach dem Entfernen sowie 24 und 48 Stunden danach abgelesen. Ist die Haut gerötet oder haben sich kleine Bläschen gebildet, kann man von einer allergischen Reaktion ausgehen.

Doch der Nachweis von Antikörpern im Blut oder bei der Hauttestung ist nur dann von Bedeutung, wenn der Patient auch die entsprechenden Beschwerden hat. Bei vielen Menschen können Antikörper gegen Allergene nachgewiesen werden, ohne dass es jemals zu allergischen Beschwerden gekommen ist. Andererseits können beide Tests falsch negativ sein. In diesen Fällen muss anhand der Beschwerden und dem wiederholten Latexkontakt die Diagnose gestellt werden.

Therapie

Die einzige wirksame Therapie ist das Vermeiden jeglichen Kontaktes mit Latexprodukten.
Bei Patienten mit nur leichteren Beschwerden wie Hautausschlägen reicht dies meist schon aus, um die allergischen Reaktionen zu verhindern. Nur bei diesen weniger schweren Fällen kann auch eine Therapie mit Antihistaminika helfen. Diese Medikamente blockieren die Wirkung des Botenstoffes Histamin im Körper und verhindern so eine allergische Reaktion.

Sind jedoch schon heuschnupfen- oder asthmaartige Symptome aufgetreten, ist der Patient stärker gefährdet, bei einem nächsten Kontakt mit dem Latex auch mit einem Kreislaufschock (anaphylaktischer Schock) zu reagieren. Zudem besteht die Gefahr, dass die Symptome zunehmen und zu dauerhaften asthmatischen Beschwerden führen.

Da die Latexexposition häufig am Arbeitsplatz stattfindet, ist es wichtig, Latex dort so weit es geht zu vermeiden. Das bedeutet z. B. den Verzicht auf puder- bzw. latexhaltige Handschuhe. Ist der Umgang mit Latex unvermeidbar, muss in manchen Fällen der Arbeitsplatz gewechselt werden. Nur so kann man die Allergie einigermaßen in den Griff bekommen und einer möglicherweise lebensbedrohlichen Verschlechterung entgegenwirken.

Zusätzlich sollte jeder Latexallergiker von seinem behandelnden Arzt mit einem Adrenalin-Spray oder einer Adrenalin-Einmalspritze ausgestattet werden. Dieses Notfallmedikament muss bereits bei den ersten allergischen Symptomen eingenommen bzw. gespritzt werden, um einem Allergieschock vorzubeugen.

Zudem sollte jeder Allergiker einen Allergiepass bei sich haben, damit die behandelnden Ärzte und Zahnärzte auf die Latexallergie hingewiesen werden und entsprechende latexfreie Produkte verwenden.

Wichtiger Hinweis

Die Latexallergie ist nicht selten Ursache für Berufsunfähigkeit in medizinischen und benachbarten Berufen. Bei einer vom Bayerischen Staatsministerium für Landesentwicklung und Umweltfragen geförderten Untersuchung von 370 Mitarbeitern einer großen Klinik im süddeutschen Raum wurde bei 27 Untersuchten (7,3 %) eine klinisch manifeste Naturlatexallergie und bei 29 (7,8 %) eine Naturlatexsensibilisierung ohne bisherige klinische Symptomatik festgestellt. Bei den untersuchten 102 Ärzten lagen die Häufigkeiten bei 15,6 % bzw. 6,9 %. Der Erstattung einer ärztlichen Anzeige über eine Berufskrankheit wurde von 23 naturlatexallergischen Beschäftigten (85,2%) widersprochen. Wegen der Häufigkeit einer Naturlatexallergie im medizinischen Tätigkeitsbereich und der Schwere der damit verbundenen Erscheinungen müssen Methoden der Vorsorge Ernst genommen und rasch in die Praxis eingeführt werden.

Aktuelles

Seit einiger Zeit gibt es erste Krankenhäuser, die sich speziell auf die Behandlung von Latexallergikern eingerichtet haben, indem so weit wie möglich auf die Verwendung von latexhaltigen Materialien verzichtet wird.

Und auch immer mehr Hotels versuchen, Allergikern auch im Urlaub eine möglichst angenehme und allergenfreie Atmosphäre zu schaffen.

Vorsorge

Da gerade unter dem medizinischen Personal die Zahl der Latexallergiker stark zugenommen hat, sollte versucht werden, in diesem Bereich alle latexhaltigen Artikel so weit es geht zu ersetzen. Aber auch alltägliche Gebrauchsgegenstände wie z. B. Haushaltshandschuhe, Luftballons, Autoreifen, Wimperntusche und auch die sog. Antirutschsocken für Kinder können Latex enthalten. Latexmatratzen enthalten ebenfalls den allergieauslösenden Stoff. Und auch im ganz privaten Bereich ist Latex mit von der Partie: fast alle Kondome bestehen aus Latex.

Allerdings hängt die Latexmenge stark von den jeweiligen Produktionsverfahren ab. So können die Eiweißstoffe bei der Herstellung weitgehend aus den Produkten herausgewaschen werden. Das ist jedoch teuer und wird nicht von jedem Hersteller praktiziert. Enthält ein Produkt weniger als 30 Mikrogramm Latex auf ein Gramm des Materials, so ist die Gefahr einer allergischen Reaktion deutlich reduziert. Daher sollte man sich beim Kauf von latexhaltigen Produkten nach dem Latexgehalt erkundigen.

Sind Operationen unvermeidlich oder muss sich ein Latexallergiker einer anderen medizinischen Untersuchung unterziehen, ist ein Verzicht auf latexhaltige Materialien unter Umständen lebensrettend. Das ist im Krankenhaus nicht immer einfach, da nicht nur Atemmasken, OP-Handschuhe oder Katheter aus Latex bestehen können, sondern auch Pflaster und Blutdruckmanschetten. Zur Sicherheit sollte vor den geplanten Eingriffen vorsorglich mit antiallergischen Medikamenten behandelt werden.

Häufige Fragen

Wo habe ich die größten Chancen eine Latexallergie zu bekommen?

Da die Latexexposition häufig am Arbeitsplatz stattfindet, ist es wichtig, Latex dort so weit es geht zu vermeiden. Das bedeutet z. B. den Verzicht auf puder- bzw. latexhaltige Handschuhe.

An meinem Arbeitsplatz bin ich dauernd mit Latex-Materialien konfrontiert. Ich habe seit einigen Wochen eine Latexallergie. Was soll ich tun?

Sie sollten unbedingt einen Hautarzt aufsuchen und ihm das Problem erläutern. Ist der Umgang mit Latex unvermeidbar, muss in manchen Fällen der Arbeitsplatz gewechselt werden. Nur so kann man die Allergie einigermaßen in den Griff bekommen und einer möglicherweise lebensbedrohlichen Verschlechterung entgegenwirken.

Wichtige Adressen

Landesanstalt für Arbeitsschutz Nordrhein-Westfalen
Ulenbergstraße 127
40225 Düsseldorf
Tel: 0211/31010, Fax: 0211/3101189

Latexallergie-Informationsvereinigung e.V. (LAIV)
Postfach 210 413
72027 Tübingen
Telefon und Fax: 07073/5164
Sprechzeiten: Donnerstag 16-19 Uhr

http://www.laiv.de/
Die LAIV ist ein Zusammenschluss von Latexallergikern mit dem Ziel, über die „Problematik der Latexallergie aufzuklären und Verbesserungen bei der beruflichen und medizinischen Rehabilitation Betroffener in die Wege zu leiten“.

http://www.med.uni-muenchen.de/ibe/phstud/privpage/stighome/latxli st.html
Unter dieser Internetadresse sind Listen mit naturlatexhaltigen Produkten im medizinischen Bereich und im Alltag sowie mit latexfreien Alternativen zu finden.

http://www.bgfa.ruhr-uni-bochum.de/bgfa/latex_empf.html
Das Berufsgenossenschaftliche Forschungsinstitut für Arbeitsmedizin (BGFA) beschäftigt sich mit arbeitsmedizinischen Probleme. Hierzu zählt auch die Problematik der Latexallergie. Besonderer Schwerpunkt liegt auf der „Untersuchung von arbeitsbedingten Erkrankungen von Lunge und Atemwegen“. Die BGFA versucht, neue Verfahren zur Vorbeugung, Diagnose und Therapie zu entwickeln.